Therapeutisches Reiten ist der Oberbegriff für 5 Fachbereiche, die sich wiederum in 3 Grundbereiche aufteilen lassen:
1. Medizinischer Bereich:
2. Pädagogischer Bereich:
3. Sport:
Daraus ergibt sich die Antwort auf die am häufigsten gestellte Frage "Was ist der Unterschied zwischen Hippotherapie und Reittherapie?":
Die Unterschiede liegen in der Grundausbildung des Therapeuten:
Hippotherapie darf ausschließlich von Physiotherapeuten oder Ärzten ausgeführt werden!
Für wen eignet sich Hippotherapie?
Die Hippotherapie eignet sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Sie wird eingesetzt bei Erkrankungen bzw. Schädigungen des Zentralnervensystems und des Stütz- und Bewegungsapparates.
Das Ziel aller neurophysiologischen Behandlungsmethoden und der Hippotherapie besteht darin, gestörte Funktionen von Muskeln und Muskelketten (wieder) in eine möglichst gesunde Funktionsweise umzuwandeln.
Es erfolgt ein Training und eine Spannungsregulation der Muskulatur unter Ausschöpfung der möglichen
bzw. verbliebenen Gelenkfunktionen.
Durchführung der Hippotherapie:
Es handelt sich um eine physiotherapeutische Einzelmaßnahme. Hippotherapie wird 1-2x / Woche durchgeführt.
Die Behandlungsdauer ist abhängig von der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit des Patienten; sie beträgt 20 bis 30 Minuten. Die Person auf dem Pferd muss nicht reiten können und auch keine Kenntnisse über Pferde mitbringen. Der Patient wird während der gesamten Maßnahme vom Hippotherapeuten gesichert.
Die Pferde sind speziell als Therapiepferd ausgebildet, aufmerksam, ruhig und zuverlässig. Die Therapie findet immer im Tempo "Schritt" statt, da nur in dieser Gangart die dreidimensionalen Bewegungsimpulse, die wir in der Therapie nutzen wollen, vom Pferderücken auf das menschliche Becken übertragen werden.
Wie wirkt Hippotherapie?
Das Pferd besitzt die Fähigkeit, sich in der Gangart Schritt in einer Art und Weise zu bewegen, dass der auf ihm sitzende Mensch passiv so mitbewegt wird, als ob er selber gehen würde.
Die rhythmischen Bewegungen des Pferdes übertragen auf Becken und Rumpf des Patienten Schwingungsimpulse,
die nahezu identisch mit dem Bewegungsablauf des Gehens beim Menschen sind.
Dies fordert vom Patienten unbewusste gangtypische Reaktionen im Rumpf, wie es keine andere Therapieform
in diesem Ausmaß vermag.
Hierdurch erfolgt eine Bewegungsanbahnung, über die zum Beispiel neurologische Bewegungsstörungen deutlich verbessert werden können. Es findet ein Training und eine Tonusregulation der Muskulatur unter Ausschöpfung
der möglichen bzw. verbliebenen Gelenkfunktionen statt.
Was wird durch die Therapie beeinflusst?
Tonusregulation (Muskelspannung)
Durch die Bewegungsstimulation im Schritt wird die Spannung der Muskulatur im Rumpf und in den Extremitäten normalisiert, d.h. erhöhte Muskelspannung (Spastik) lässt sich reduzieren und verminderte
Muskelspannung (Hypotonie) lässt sich wieder aufbauen.
Gleichgewicht
Durch die Bewegung erfolgt eine Schulung des Koordinationsvermögens und der Haltungs- und Gleichgewichtsreaktionen des gesamten Bewegungsapparates.
Aufrichtung
Die vom Pferd implizierten Bewegungsimpulse ermöglichen eine bestmögliche Aufrichtung der Wirbelsäule und schaffen somit eine Voraussetzung für die Entwicklung funktionsgerechter Bewegungen des
Kopfes und der Extremitäten.
Symmetrie
Durch die symmetrischen Schwingungsimpulse kann der bewegungsgestörte Patient das Gefühl für die Körpermitte schulen.
Rhythmus
Durch das rhythmische Bewegen des Körpers werden wiedererlangte Bewegungsmuster stabilisiert und automatisiert .
Gangbild
Durch die menschengangähnlichen Schwingungsimpulse erfolgt eine optimale Gangschulung.
Mobilisation der Gelenke
Das rhythmische Bewegen der Gelenke bei gleichzeitiger Tonusregulierung führt mit der Zeit zu einer Mobilisation eingeschränkter Gelenke (zum Beispiel Förderung der selektiven Bewegungen in LWS und
Hüftgelenken).
Mundmotorik
Durch die Tonusregulierung werden verminderter Mundschluß, übermäßiger Speichelfluss und Sprachprobleme positiv beeinflusst.
Zielgruppen sind Menschen mit:
zu viel oder zu wenig Spannung in der Muskulatur/ Muskelfunktionsstörungen (also alle Krankheitsbilder von der Atonie bis zur Spastik)
Wahrnehmungs- und/oder Koordinationsproblemen
Bewegungsdefiziten in den Gelenken
ungenügender Rumpfaufrichtung
asymmetrischer Körperhaltung/Skoliose
Zusätzlich geschieht immer eine Förderung von:
Konzentration und Aufmerksamkeit
Einschätzungsvermögen der eigenen Leistungsfähigkeit/Körperwahrnehmung
Motivation und Selbstwertgefühl
Somit eignet sich die Hippotherapie besonders für Erwachsene und Kinder mit folgenden Diagnosen:
inkomplettes Querschnittsyndrom
Z.n. Schädelhirntrauma
Z.n. Apoplex
Multiple Sklerose
Ataxie
ICP
Spina bifida
Poliomyelitis
Skoliose und/oder Beckenschiefstand
Gleichgewichts- und/oder Koordinationsstörungen
sensorische Integrationsstörungen
Weitere Zielgruppen:
Meiner Meinung nach gibt es tatsächlich fast niemanden, dem es nicht unglaublich gut tun würde, sich einfach mal von einem freundlichen Pferd tragen und bewegen zu lassen! Der Umgang mit dem Tier macht Spaß, entspannt Muskeln und Seele und zaubert jedem ein Lächeln ins Gesicht.
In sich gekehrte und zurückhaltende Menschen leben auf, hyperaktive Menschen entspannen und beruhigen sich.
Körpergefühl und Gleichgewicht werden gefördert, neue Perspektiven geschaffen, schöne Emotionen freigesetzt und vieles vieles mehr.
Klassische Physiotherapie oder Hippotherapie?
Ich bin überzeugt von sinnvollen regelmäßigen Übungen, um eine körperliche Funktionsstörung zu verringern.
Dies kann in einer Praxis zusammen mit einem Physiotherapeuten geschehen oder alleine zu Hause. Oft tritt leider nach einigen Monaten oder Jahren eine Therapiemüdigkeit ein, die Übungen sind mit der Zeit langweilig und erfordern sehr viel Selbstdisziplin. Hippotherapie macht SPASS! Sie findet in einer anderen Umgebung, in einer anderen Form und vor allem zusammen mit einem freundlichen, wundervollen Lebewesen statt, mit dem man während der Therapie eine Beziehung eingeht. Pferde (ver-)urteilen nicht, sie nehmen jeden Menschen wie er ist, sie sind freundlich und kontaktfreudig. Sie tragen uns bereitwillig und eröffnen neue Perspektiven.
Wer führt die Hippotherapie durch?
Grundsätzlich wird die Therapie von ausgebildeten Physiotherapeuten oder Ärzten durchgeführt, die eine berufliche Weiterbildung zum Hippotherapeuten erfolgreich abgeschlossen haben.
Ich bin seit Dezember 2000 staatlich anerkannte Physiotherapeutin mit den Schwerpunkten Neurologie und Orthopädie (unter Anderem mit folgenden Zusatzqualifikationen: Bobath, Manuelle Therapie, Manuelle Lympphdrainage, McKenzie) und habe die Weiterbildung zur Hippotherapie im Juni 2015 beim DKThR (Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten) abgeschlossen.
Wer trägt die Kosten?
Seit 2006 wird die Hippotherapie leider nicht mehr als anerkanntes Heilmittel nach den Heilmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführt.
Die Folge ist, dass gesetzliche Krankenkassen die Hippotherapiekosten nicht übernehmen.
Einige private Krankenkassen übernehmen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Kosten.
Preis:
30 Minuten Einzelbehandlung Hippotherapie: 55 €
Von Dezember 2018 bis Januar 2021 hatte der Medical Park Reithofpark Bad Feilnbach das Leistungsangebot erweitert und seinen Patienten Hippotherapie ermöglicht. Von den Physiotherapeuten und Ärzten der Klinik ausgewählte Patienten mit neurologischem Krankheitsbild hatten die Möglichkeit, für die Dauer ihres Reha-Aufenthaltes 1x/Woche zu mir an den Hof zur Hippotherapie zu kommen.
Die folgenden Fotos sind mit Patienten des Medical Park entstanden: